Adonay

Adonay wurde nur 24 Jahre alt. Adonay war ein Wunschkind. Seine Eltern haben lange Jahre keine Kinder bekommen. Als sie fast 20 Jahre später den Adonay bekamen, waren seine Eltern überglücklich. Adonay war ein sehr verwöhntes Kind. Er bekam fast alles, was sich die Eltern nur leisten konnten. Als er 18 Jahre alt wurde, musste er zum Militär. Es war für Adonay, vor allem aber für die Eltern, nicht einfach den Militärgang des einzigen Kindes zu akzeptieren. Aber es gab keine andere Wahl. Adonay, der so auf sich fixiert war, war auf einmal sehr besorgt um seine "alten Eltern". Er schrieb fast jede Woche, dass es ihm gut gehe und dass die Eltern sich keine Sorgen zu machen brauchten. Die Eltern versuchten auch ihn zu besuchen, wo es nur ging. Es ging aber nicht immer gut. Denn manchmal wurde der Sohn den Eltern nicht gezeigt. Obwohl er da war, hat man den Eltern gesagt, dass er sich dienstlich woanders befindet. Tage lange Reisen, um den geliebten Sohn kurz zu sehen, scheiterten sehr oft. Ein oder zwei Mal durfte Adonay die Eltern für ein paar Tage besuchen. Eines Tages, als Adonay sich längere Zeit nicht gemeldet hatte, fuhren die Eltern zu Adonays Militär Camp, um zu gucken, ob mit ihrem Sohn als ok war. Sie durften ihn, wie so oft, nicht sehen. Die Eltern warteten drei Tage dort, in der Hoffnung, dass Adonay doch von seiner Dienststelle kommen durfte. Denn die Reise nach Hause dauerte fast 3 Tage mit dem Bus. Am 4.Tag, sehr früh morgens, als die Eltern abreisen wollten, erfuhr Adonay von der Abreise seiner Eltern. Er entschloss sich, egal was auch passieren mag,  seinen Eltern hallo zu sagen. Die Eltern waren sehr glücklich, ihren geliebten Sohn zu sehen und blieben noch einen Tag dort. Als die Eltern abgereist waren, wurde Adonay in Haft genommen und misshandelt. Adonay erlitt durch die Misshandlung eine halbseitige Lähmung. Die Eltern haben ihrem Sohn immer öfter geschrieben, aber bekamen keine Antwort.  Fast 1 Jahr später erfuhren sie, warum Adonay nicht zurück schreiben kann. Sie gingen noch ein Mal zu Adonays Militär Camp. Sie warteten Tage lang und wollten nicht abreisen ohne ihren Sohn gesehen zu haben. Nach langem hin und her sagte man ihnen Adonay sei krank und er wurde zur Behandlung in ein anderes Militär Camp gefahren. Irgendwann  fanden sie ihren Sohn im Bett liegend und halb gelähmt. Sie versuchten alles Mögliche, um Adonay mit nach Hause nehmen zu dürfen. Monate später schafften sie es, ihren Sohn mit nach Hause zu nehmen. Sie pflegten ihren Sohn so gut es ging gesund, zu Hause und in verschiedenen Krankenhäuser. Anfangs konnte Adonay selbst zur Toilette gehen und später auch kurze Spaziergänge machen.
Seine Eltern und andere Verwandte und Freunde von Adonay versuchten Adonay zur Selbständigkeit zu motivieren. Adonay ging es nach und nach besser. Doch er war immer noch unglücklich. Er wollte ganz gesund werden. Er machte viele sportliche Aktivitäten. Eines Tages erfuhr seine Mutter, dass es im Sudan eine bessere medizinische Behandlung gebe und ihrem Sohn dort geholfen werden konnte. Sie verkaufte ihren Schmuck und brachte ihren Sohn in den Sudan. Doch alle Versuche im Sudan, Adonay gesund zu pflegen, sind misslungen. Sie wollte Adonay mit nach Hause nehmen, doch Adonay sagte zu seiner Mutter "lieber sterbe ich hier, als nach Eritrea zurückzukehren". Die Mutter versuchte alles um ihrem Sohn die medizinische Behandlung zu ermöglichen. Auch der Vater schickte weiterhin viel Geld in den Sudan, damit der Sohn gesund gepflegt wird und wieder nach Hause kommt. Eines Tages sagte Adonay  zu seiner Mutter "Mama, gib mir bitte 1500,- Dollar, ich habe erfahren, dass es hier in der Nähe einen guten Arzt gibt, der  mir helfen kann, wenn ich ihm die 1500,- Dollar gebe". Die Mutter gab ihm das Geld und wartete darauf, dass ihr Sohn nach kurzer Zeit wieder gesund zu ihr zurückkam.
Die Mutter hat nicht ein Mal gefragt, wo sich der Arzt befindet. Sie war  von ihrem Sohn gewohnt, immer die Wahrheit zu hören.

Es gingen ca. 2 Monate um und die Mutter hat die Suche nach dem Sohn schon längst begonnen. Eines Tages sagte man ihr, dass ihr Sohn Opfer der Menschenschmuggler geworden sein könnte, welche die Not solcher  Menschen ausnutzten, um an ihr Geld zu kommen. Es war tatsächlich so, dass man Adonay die Besessenheit gesund zu werden ansehen konnte. Monate lang suchte die Mutter verzweifelt nach ihrem Sohn. Sie traute sich nicht mehr ohne ihren Sohn nach Hause zurückzukehren. Sie hatte Angst,  dass ihr Mann es nicht mehr überleben würde, wenn sie ohne seinen geliebten Sohn zurückkehrte.
Doch eines Tages bekam sie einen Anruf aus Dubai (von der Schwester seines Freundes) und sie sagte ihr, dass ihr geliebter Sohn am Mittelmeer durch Hunger und Durst qualvoll gestorben war. Obwohl mindestens 10 Schiffe an seinem Boot vorbei fuhren, wollte ihm keiner helfen.  Man schickte ihr Geld und bat sie, zu ihrem Mann zurückzukehren, da ihr Mann vom Tod seines Sohns erfahren habe und es ihm nicht gut ginge.

Als Adonays Mutter nach Eritrea zurückkehrte und für den geliebten Sohn eine Trauerfeier organisiert wurde, sagte die Mutter: "Für viele, die nie einen geliebten Menschen in einer grausamen Art und Weise verloren haben, kann dies unvorstellbar sein. Aber für jeden human denkenden Mensch ist dies ein Tod der Grausamkeit. Ich habe das Gefühl, ich habe meinen Sohn in den Tod getrieben. Ich habe auch erst heute richtig erfahren, wie grausam die Menschen sein können. Ich wünsche niemandem, meinen Schmerz nachzuempfinden, auch nicht denen, die meinen einzigen Sohn wissentlich qualvoll sterben ließen und damit meine ich auch die europäischen Politiker, die solche Tode bewusst in Kauf nehmen, die Fischer, die Grenzüberwacher und auch die Handelsschiffe, die unseren Kindern und unseren schwangeren Frauen beim Sterben zugesehen haben. Denn dieser Schmerz ist schlimmer als der Tod. Gott segne die guten Menschen, die solchen Asyl- und Schutzsuchenden helfen wollen. Und Gott soll den bösen Menschen in seine Richtung ziehen und von bösen Absichten befreien."

Während die Mutter von Adonay redete, sprach der Vater von Adonay kein einziges Mal. Auch weinen kann er nicht. Er hielt einen Rosenkranz  in seiner rechten Hand. Nicht einmal die Gäste, die ihm ihr Beileid aussprechen schaute er an. Er starrte nur auf dem Boden und murmelte vor sich hin.

 

Drucken

unterstützen Sie uns


 EUR

unterstützen Sie uns


 EUR